Die Bemühungen zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Kindern reichen bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts zurück. Die Schrift mit dem Titel „Das Jahrhundert des Kindes” der schwedischen Pädagogin Ellen Key wurde 1902 ins Deutsche übersetzt, worauf sich viele Politikerinnen und Politiker immer mehr mit dem Thema Kinder und ihre Kindheit beschäftigt haben. Auch die Aufsätze des polnischen Arztes, Schriftstellers und Pädagogen Janusz Korczak, die zwischen 1919 und 1939 erschienen, warfen viele Fragen zu diesem Thema auf. Im Jahre 1923 wurde von der britischen Lehrerin Eglantyne Jebb die erste Erklärung der Rechte des Kindes verfasst. Diese Erklärung diente als Grundlage für die von der Generalversammlung des Völkerbundes verabschiedeten Genfer Erklärung der Kinderrechte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich die Vereinten Nationen mit den Rechten der Kinder beschäftigt und verabschiedeten im Jahre 1959 eine erweiterte Erklärung zu Kinderrechten. 1979 hat die VN-Generalversammlung als „Internationales Jahr des Kindes“ ausgerufen.
Inhalt dieses Beitrags
Kinderschutz in Deutschland
In Deutschland nutzte man das Jahr des Kindes dafür, viele Initiativen und Projekte, die in Zusammenarbeit von Fachbehörden und bekannten Zivilorganisationen ins Leben zu rufen und einige kinderpolitische Zielsetzungen durchzusetzen. Am zwanzigsten Jahrestag der Erklärung zu Kinderrechten wurde 1979 ein Projekt der Vereinten Nationen, auf Basis des von Polen bei der VN-Menschenrechtskommission vorgelegten Entwurfs, über die Kinderrechte für die Ausarbeitung vorgelegt. 10 Jahre hatte man sich mit dem Projekt auseinandergesetzt um am 20. November 1989 die VN-Kinderrechtskonvention vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen vorzustellen. Diese Konvention wurde von fast allen Staaten der Welt, mitunter auch von Deutschland, ratifiziert, um im Jahre 1992 rechtskräftig zu werden. Der Ratifizierungsurkunde wurden „Interpretationserklärungen“ beigefügt, die in Deutschland ein Anlass zu heftigen Diskussionen waren. Nach zahlreichen Anmahnungen wurde die „Vorbehaltserklärung“ im Jahre 2010 zurückgenommen. 1990 und 2002 gab es bei den Vereinten Nationen die sogenannten Weltkindergipfel (Sondergeneralversammlungen zu Kindern). Schon beim ersten Weltkindergipfel verpflichteten sich die versammelten Nationen, den Rechten der Kinder, ihrem Überleben, ihrem Schutz und ihrer Entwicklung eine vorrangige Priorität zu geben. „A World Fit for Children“ hieß der Aktionsplan, der beim Weltkindergipfel 2002 unterzeichnet wurde. An diesem Weltkindergipfel nahmen zum ersten Mal auch 400 Jugendliche zwischen 7 und 18 Jahren aus 154 Staaten teil.
Kinder und Jugendliche schützen in einem kindergerechten Deutschland
Durch gemeinsames Handeln sollten Kinder geschützt, gefördert und so beteiligt werden, dass sie einen entsprechenden Stammplatz in der Gesellschaft einnehmen und die Zukunft aktiv mitgestalten. Seit 2002 (2. Weltkindergipfel) hat BMFSFJ (Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugendliche) den Kinderalltag in Deutschland unter die Lupe genommen und auf Kinderfreundlichkeit geprüft. Das Ergebnis der Überprüfung war der Nationale Aktionsplan für ein kindergerechtes Deutschland (NAP). Die Aktion „Für ein kindergerechtes Deutschland” beinhaltet Aktionen für und mit Kindern und Jugendlichen, und zwar in allen gesellschaftlichen Bereichen, damit Deutschland kindergerechter wird. Der Nationale Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland” konzentriert sich auf diese sechs zentralen Schwerpunkten:
-
Chancengerechtigkeit durch Bildung
Pisa-Studie hat die Lücken des deutschen Bildungssystems offen gelegt. Nur eine Chancengerechtigkeit in der Bildung schafft eine solide Grundlage für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Bildung bedeutet Erfolg im Leben, es muss für jedes Kind zugänglich sein. Damit es möglich wird, muss die Bildung nicht nur in der Schule, sondern auch in der Familie, im Freundeskreis und in der Freizeit stattfinden. Um das zu erreichen, sind Lehrer und engagierte Eltern, als Lehrende und Erziehende, als Ausbildende und Arbeitgeber, gefordert. Bildung findet auf vielen Ebenen statt:
- Bildung und Erziehung in der Familie
- in der frühen Kindheit
- Schulbildung
- außerschulische Bildung, Betreuung und Förderung
- Berufsausbildung
- Aus-, Fort- und Weiterbildung der Pädagoginnen und Pädagogen
Soziale und berufliche Integration von Jugendlichen ist einer der Schwerpunkte, die BMFSFJ mit größter Sorgfalt verfolgt. „Kompetenzagenturen für Jugendliche“ oder das Projekt „Lebenskunst lernen” sind nur einige Projekte davon.
-
Aufwachsen ohne Gewalt
Gewalt und Mobbing in der Schule gehören mittlerweile zum Schulalltag. Schutz der Kinder vor Missbrauch, Ausbeutung und Gewalt sollte stärker gefördert werden, hier reicht es nicht, lediglich die Schulordnungen, Paragrafen und spezielle Programme zu verfolgen. Im Nationalen Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland” sind folgende Schwerpunkte einzeln thematisiert:
- Gewalt und Kindesvernachlässigung in der Erziehung
- Kinder als Zeugen und Betroffene der Partnergewalt
- Gewalt unter Kindern und Jugendlichen (Schule)
- Gewalt in den Medien
Das neue Jugendschutzgesetz, Projekte zur verstärkten Medienkompetenz und Ausbau sozialer Frühwarnsysteme sind nur einige Maßnahmen, die das BMFSFJ diesbezüglich durchsetzen will.
-
Förderung eines gesunden Lebens und gesunder Umweltbedingungen
Für Kinder und Jugendliche sollen gesunde Lebensbedingungen geschafft werden. Ohne gesunde Umwelt ist ein gesundes und kindergerechtes Aufwachsen kaum möglich. Im direkten Umfeld der Kinder und Jugendlichen sollen die Erwachsenen gesunde Lebensbedingungen fordern und fördern. Mit Gesundheit ist gemeint:
- mehr Bewegungsfreiräume und Motivation zur Aktivität
- Verbot für Rauschmittel und Förderung ausgewogener Ernährung
- Kinder mit Behinderungen sollten besser integriert werden
- Ausbau der Früherkennungsuntersuchungen
- weniger Schadstoff- und Lärmbelastungen
- Reduzierung der Unfallgefahren
- kinderfreundliche Atmosphäre in Arztpraxen und Krankenhäusern.
-
Beteiligung von Kindern und Jugendlichen
Mitsprache der Kinder und Jugendlichen gehört auch zum Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland”. Es gibt bereits 250 Kinder- und Jugendparlamenten, in denen deutschlandweit die junge Generation mitentscheiden kann. Es sind nun zwei Drittel der Neun- bis 14-Jährigen, die an Entscheidungen in ihrer Gemeinde beteiligt werden wollen. Durch ihre aktive Teilnahme und Mitarbeit erfahren sie, was Mitentscheiden und die Demokratie bedeutet. In dem Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland” werden folgende Punkte besprochen:
- welche Formen der Beteiligung am passendsten sind
- entsprechende Qualitätsstandards
- wie die Beteiligung verteilt ist (Familie, Schulen, pädagogische Institutionen, Gemeinde, Land, Bund, Europa)
Das Motto „Nur wer was macht, kann auch verändern!“ gab Ende 2006 den Startschuss für das „Aktionsprogramm für mehr Jugendbeteiligung“.
-
Einen angemessenen Lebensstandard für alle Kinder schaffen
Deutschland gehört zu den reichsten Ländern der Welt und trotzdem leben hier viele Kinder in Armut. 2008 hat UNICEF einen Bericht hervorgebracht der bestätigte, dass in Deutschland etwa jedes sechste Kind von Armut betroffen ist. Von Armut sind vor allem Kinder betroffen, die nur von einem Elternteil erzogen werden, aus Familien mit ausländischem Hintergrund stammen oder in Familien mit vielen Kindern aufwachsen. Der Nationale Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland” soll die soziale Ausgrenzung von Kindern durch folgende Maßnahmen reduzieren:
- bessere Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt
- die Existenzsicherung von Familien
- eine starke Armutsprävention
Familienbezogene Leistungen wie das Elterngeld, Weiterentwicklung des Kinderzuschlags und Ausbau der Kinderbetreuung sollen einen angemessenen Lebensstandard für Kinder schaffen.
-
Internationale Verpflichtungen
Ohne starke Verbündete bekommen Kinder und Jugendliche in ökonomisch, ökologisch oder von politischen Krisen gezeichneten Ländern, wenig Beachtung für ihre Rechte. Weltweit besuchen rund 80 Millionen Kinder im Grundschulalter keine Schule. Daraus resultiert, dass in den betroffenen Regionen knapp jeder fünfte erwachsene Mensch ein Analphabet ist. Eine fehlende Ausbildung ist der Grund für eine schwache gesellschaftliche Entwicklung. Aufgrund dessen wird eine Sicherung der Entwicklungsfinanzierung für eine kindergerechte nachhaltige Entwicklung gefordert. Die Maßnahmen dafür sehen folgendermaßen aus:
- die Schaffung einer soliden Grundbildung
- entsprechender Schutz arbeitender Kinder
- besonderer Schutz von Kindern in Kriegen und von Kinderflüchtlingen
- angemessene Hilfe für Flüchtlingskinder
- optimale Bekämpfung von HIV/Aids.