Startseite Kind Unterschiedliche Meinungen: wie lange sollten Kinder rückwärts im Auto fahren?

Unterschiedliche Meinungen: wie lange sollten Kinder rückwärts im Auto fahren?

Babyschale Kindersitz rückwärts

Wenn ihr mit dem Auto unterwegs seid, wollt ihr eure Kinder größtmöglich schützen. In Deutschland gilt die Kindersitzpflicht, die laut der Straßenverkehrsordnung (StVO) geregelt ist. Die Kindersitzpflicht gilt bis zum 12. Geburtstag oder einer Größe von maximal 1,50 Meter. Euch stellt sich hier sicher oft die Frage: welcher Kindersitz ist am besten und wie lange soll euer Kind rückwärts im Auto fahren? Wir informieren euch, welche Meinung Experten hierzu aktuell geben.

Wie lange dürfen Babys rückwärts fahren?

Mit der Verordnung i-Size / UN ECE R 129 hat sich etwas Wichtiges geändert. In diesen Kindersitzen müssen die Babys bis mindestens 15 Monate rückwärts transportiert werden. Bei den früheren Normen war bereits ab 9 Monaten der vorwärts gerichtete Transport erlaubt. Die aktuelle Norm schützt eure Kleinen somit viel besser. Details zur Norm finden sich in diesem Video:

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Bei eurem Baby ist die Hals- und Nackenmuskulatur noch sehr schwach ausgebildet. Der Kopf dagegen ist im Verhältnis zum gesamten Körper groß und schwer. Bei einem abrupten Abbremsmanöver oder sogar bei einem Frontalaufprall besteht die Gefahr eines hohen Verletzungsrisikos. Während der Körper durch die Gurte festgehalten wird, schleudert der Kopf durch die fehlende Stütze heftig nach vorne. Selbst bei einer geringen Geschwindigkeit von 50 km/h kann die schwache Nackenmuskulatur diese Wucht nicht abfangen.

Die schwedische Biomechanikerin Lotta Jakobsson, Leiterin der Abteilung Insassenschutz bei Volvo, spricht sich deshalb nur für einen vorwärtsgerichteten Transport ab mindestens 3 bis 4 Jahren aus. Sicherer ist ein rückwärts gerichteter Sitz, der als Reboarder bekannt ist. Bei einem Aufprall werden Körper und Kopf gemeinsam in den Sitz gedrückt. Durch die Rückenlehne des Kindersitzes wird die Wirbelsäule gestützt und der Kopf des Kindes kann nicht herumschleudern. Mit einem rückwärts gerichteten Kindersitz wird das Risiko schwerer Verletzungen deutlich minimiert. Babyschalen werden grundsätzlich rückwärts gerichtet positioniert und bis zu circa 12 Monaten genutzt.

Unfallchirurgen und Orthopäden fordern mehr Schutz als der ADAC

Mit der Verordnung i-Size / UN ECE R 129 wurde das Alter auf 15 Monate erhöht, wonach Kinder im Auto rückwärts gerichtet gesichert werden sollen. Während der ADAC sich für eine Empfehlung von 2 Jahren ausspricht, gehen Unfallchirurgen und Orthopäden noch ein Stück weiter.

Die Empfehlung der Experten spricht sich für einen rückwärts gerichteten Sitz von bis zu 3 Jahren aus. Ebenso sollten die neuen Kindersitze nach der i-Size-Norm gekauft werden. Die rückwärtsgerichtete Sicherung ergibt viele Vorteile. Bei einem Autounfall treten erhöhte Kräfte punktuell auf den Kopf, die Halswirbelsäule und den Bauch. Mit einem Sitz, der rückwärtsgerichtet ist und nach der i-Size-Norm konstruiert wurde, schwächen sich diese Kräfte ab.

Für den Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) sind 18 Kilogramm ausschlaggebend, das einem Alter von circa 4 Jahren entspricht. Auch die Unfallforschung der Versicherer gibt sich nicht mit 15 Monaten zufrieden, sondern spricht sich für mindestens 18 Monate aus.

Die schwedische Biomechanikerin Lotta Jakobsson rät zudem von Kindersitzen mit Rückhalte-Kissen oder Tischchen ab. Dabei wird ein Kissen mit einem Dreipunktgurt vor dem Bauch des Kindes fixiert. Da der Gurt durch das Kissen und nicht über die Schulter gesichert wird, bietet er keinen Halt für den Oberkörper. Bei einem Unfall muss der Bauch des Kindes die gesamte Aufprallenergie aufnehmen, was innere Organe verletzen kann. Zudem fallen Kopf und Brustkorb ungebremst nach vorne.

Autokindersitze: die Meinung von Unfallchirurgen

Auch Unfallchirurgen sind sich einig: je später das Kind zu einem vorwärts gerichteten Kindersitz wechselt, desto besser. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Jahr 2020 rund 7.300 Kinder unter 15 Jahren bei Autounfällen verletzt. Die häufigsten Verletzungen waren am Kopf und an der Wirbelsäule. Besonders die zwei-bis dreijährigen Kinder haben meist schwere Verletzungen.

Prof. Dr. Benedikt Friemert, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) plädiert zu einer verantwortungsvollen Fahrweise der Eltern. Oft ist der Gebrauch des Handys während des Fahrens schuld an einem Unfall. Ebenso spielen Ablenkung und eine zu hohe Geschwindigkeit eine Rolle. Für schwere Verletzungen sind auch die falsche Verwendung von Rückhaltesystemen und der falsche Gebrauch von Kindersitzen verantwortlich.

Die DGOU ist der Meinung, dass der Kindertransport ein Teil der Fahrausbildung sein sollte. Eine intensivere Aufklärung wäre ebenso wichtig. Viele Eltern kaufen einen Kindersitz gebraucht und werden über den richtigen Gebrauch nicht aufgeklärt. Oft ist die Anleitung sowieso nicht mehr vorhanden.

Sicherheitsstandard für Seitenaufprallschutz

Während es bereits Autos mit Seitenaufprallschutz gibt, war diese Sicherheitsvorkehrung bei Kindersitzen bislang kein Thema. Da aber nicht jedes Auto mit dem Schutzmechanismus ausgestattet ist und ein Seitenaufprall zur zweithäufigsten Unfallursache gehört, ist ein Seitenaufprallschutz bei einem Kindersitz besonders wichtig. Laut einer Unfallforschung der Medizinischen Hochschule Hannover geschehen 65,7 Prozent der Unfälle als Frontalaufprall, 27,3 Prozent als Seitenaufprall, 4,2 Prozent als Heckaufprall und 2,8 Prozent als Überschlag.

Bis zum Jahr 2013 gab es für einen Seitenaufprallschutz bei Kindersitzen keine gesetzliche Vorgabe. Das wurde geändert und Kindersitze, die eine Zulassung nach UN ECE R 129 (i-Size) erhalten wollen, müssen den Seitenaufpralltest mit einer Geschwindigkeit von 25 km/h bestehen. Diese Gesetzesgrundlage gilt in der gesamten Europäischen Union.

Die gesetzliche Vorschrift müssen jetzt alle Hersteller von Kindersitzen beachten. Führende Kindersitzhersteller haben allerdings schon seit Jahren einen Seitenaufprallschutz in den Sitzen integriert. Der ADAC testet bereits seit mehr als 15 Jahren die Sicherheit von Kindersitzen, auch die Sicherheitskategorie Seitenaufprallschutz. Auch die Kindersitze mit der Norm ECE R 44/04 wurden auf dieses Kriterium getestet. Etliche erhielten vom ADAC gute Bewertungen und können also guten Gewissens verwendet werden. Details zum Kauf eines Kindersitzes nennt der ADAC in diesem Video:

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Neben den verschärften Testkriterien für die Norm UN ECE R 129 (i-Size) müssen zudem neue und innovative Test-Crash-Dummies eingesetzt werden. Diese neuen Dummies liefern wesentlich genauere Messwerte als die alten Testpuppen, durch mehr Sensorgen an Nacken, Kopf und am Bauch. Diese Version, die viel lebensechter ist, liefert mehr Daten zu verletzungsanfälligen Körperteilen. Dadurch sind eine bessere Simulation und deren Bewertung möglich.

Welche aktuelle Regelung gibt es zu Sitzerhöhungen?

Einfache Sitzerhöhungen ohne Rückenlehne und Kopfstütze bieten eurem Kind keinen guten Schutz. Aus diesem Grund gibt es die Regelung UN ECE R 129 (i-Size). Nur noch Kinder ab einer Körpergröße von mindestens 125 Zentimetern und einem Gewicht von mindestens 22 Kilogramm dürfen eine Sitzerhöhung ohne Rückenlehne und Kopfstütze benutzen.

Bei den Tests des ADAC wurde festgestellt, dass Sitzerhöhungen ohne Rückenlehne keinen Seitenaufprallschutz bieten, weder für den Kopf noch für den Körper und das Becken. Der Kopf des Kindes prallt bei einem Unfall von der Seite gegen die Karosserie oder die Fensterscheibe und kann schwerste Verletzungen davontragen. Desweiteren gibt es bei Sitzerhöhungen ohne Rückenlehne keine Führung des Diagonalgurtes. Dadurch liegt der Gurt zu nah am Hals des Kindes und kann einschneiden. Bei einem Frontalaufprall könnte das Sitzkissen unter dem Po des Kindes wegrutschen. Dabei rutscht das Kind unter den Gurt. Dies kann auch passieren, wenn das Kind einschläft und zur Seite kippt. In diesen Fällen ist das Kind nicht mehr durch einen Gurt abgesichert.

Verbannt die EU Integralsitze?

Die EU-Kommission plant, ab September 2023 Kindersitze nach der Norm UN ECE Reg. 44 zu verbieten. Nach diesem Datum sind nur noch Kindersitze nach der neuen Norm UN ECE R 129 zugelassen. Besonders die Modelle für Kleinkinder sind betroffen von dieser neuen Regelung.

Laut führender Kindersitzhersteller werden vorwiegend teure Kindersitze verkauft – meistens mit ISOFIX-Befestigung. Der ADAC sieht hier ein weiteres Problem. Bei Fahrzeugen ab Baujahr 2014 ist ISOFIX vorgeschrieben. Dennoch sind nur zwei Sitzplätze mit ISOFIX ausgestattet. In der Regel ist am Beifahrersitz, der mittleren Rücksitzbank und der dritten Sitzreihe (7-Sitzer) keine ISOFIX-Befestigung angebracht. Falls ihr ein älteres Fahrzeug habt, ist sowieso kein ISOFIX angebracht und ihr dürft eure Integralsitze nicht mehr nutzen.

Welchen Kindersitz im Ausland?

In der Regel gibt es keine Probleme, wenn ihr mit eurem Auto und dem eingebauten Kindersitz in das Ausland fährt, zumindest nicht in Europa. Wenn ihr allerdings in Italien ein Mietauto bucht, gelten besondere Regeln. Dies gilt auch für die USA und Australien. Am einfachsten, so rät der ADAC, ihr bucht das Mietauto inklusive Kindersitz.

Wertvolle Tipps für das sichere Anschnallen

Sitz am falschen Ort

Solltet ihr die Babyschale auf dem Beifahrersitz platziert haben, vergesst auf keinen Fall den Airbag abzuschalten! Kinder unter 12 Jahren sollten sowieso nie auf dem Beifahrersitz gesichert werden. Lange Zeit haben Experten dazu geraten, Kinder auf dem hinteren Mittelsitz zu sichern. Doch das ist wegen fehlender Isofix-Punkte oft nicht möglich. Dann solltet ihr euer Kind auf dem Rücksitz der Beifahrerseite sichern. Die heutigen modernen Autos sind jedoch an den Karosserieflanken deutlich stabiler konstruiert als ältere Modelle. Lotta Jakobsson ist deshalb der Meinung, dass bei den heutigen Fahrzeugen jeder Sitz sicher ist. Am wichtigsten wäre ein Gurtstraffer, der jedoch nicht bei allen Autos serienmäßig vorhanden ist.

Falsche Position des Tragegriffs

Bei einigen Herstellern von Babyschalen muss der Tragegriff in einer bestimmten Position beim Sichern im Auto sein. Vor Fahrtantritt muss die Anleitung im Detail gelesen zu werden, um über diesen Punkt Bescheid zu wissen.

Stützfuß ausfahren

Bei Kindersitzen mit integrierten Stützfuß solltet ihr darauf achten, dass er ausgefahren ist, sonst ist der Kindersitz instabil. Nicht immer funktioniert dies automatisch. Der Stützfuß sichert den Kindersitz zusätzlich ab. Allerdings solltet ihr noch darauf achten, dass der Stützfuß nicht auf ein Staufach trifft, was oftmals bei Vans der Fall ist.

Richtiges Anlegen des Sicherheitsgurtes

Achtet immer darauf, dass der Gurt nicht lose oder verdreht ist. Der Sicherheitsgurt muss immer straff angezogen sein. Der ISOFIX muss immer mit einem Klick einrasten. Wird euer Kind mit einem Fünf-Punkt-Gurt gesichert, müssen die Gurte eng anliegen, nicht verdreht sein und korrekt verlaufen. Zwischen Körper und Gurt passen maximal zwei Finger. Auch bei der Sicherung durch einen normalen Gurt gilt: immer stramm anziehen. Auf keinen Fall solltet ihr den Gurt unter den Arm klemmen. Der Gurt beim Becken darf nur über die „Hörnchen“ des Kindersitzes laufen. Im Winter solltet ihr eurem Kind dicke Jacken ausziehen, sie vermindern die Schutzwirkung.

Kein Zubehör

Es kann vorkommen, dass der Gurt zu kurz für den Kindersitz ist. Dann lieber den Kindersitz umtauschen oder vorher testen, ob er gut zu befestigen ist. So genannte Gurtschloss-Verlängerungen sind gefährlich, illegal, verändern die Geometrie des Sitzes und können so bei einem Unfall zu Verletzungen führen.

Warum die Zulassung nach Größe?

Viele Eltern sind oftmals sehr verunsichert, denn die Auswahl der Kindersitze ist mehr als genug und die bisherigen gesetzlichen Vorgaben sind doch ein Anhaltspunkt? Dennoch zeigten die bisherigen Normen und Zulassungen eine Schwäche. Entscheidend für die Auswahl der richtigen Sitzgröße sind nicht das Gewicht oder das Alter des Kindes, sondern die Körpergröße.

Richten sich die Eltern nach Gewicht oder Alter, ist der Kindersitz oft nicht der richtige. Nur ein Kindersitz der passend ist, gewährleistet einen guten Schutz. Die Vorgabe nach Gewicht und Alter hatte oft fatale Folgen. Kinder, die sehr leicht und größer sind, ragen mit dem Kopf über die Kopfstütze hinaus. Andererseits werden oftmals Kinder mit einem höheren Gewicht in den nächstgrößeren Sitz gesetzt, obwohl er nicht passend ist.

Mit der neuen Verordnung ist es den Herstellern überlassen, wie sie die Einteilung der Kindersitze vornehmen. Feste Kindersitzgruppen werden vom Gesetzgeber nicht mehr vorgeschrieben. Achtet also beim Kauf eines neuen Kindersitzes, der nach der Norm ECE R 129 zugelassen ist, auf die jeweilige Körpergröße. Details zu Kindersitzen nennt auch die Stiftung Warentest in ihrem Test:

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Ausnahme ISOFIX-Sitze

Nur für Kindersitze, bei denen die Kinder mit ISOFIX und mit dem integrierten Gurt des Kindes angeschnallt werden, gilt weiterhin eine Gewichtsgrenze. Das vorgeschriebene maximale Gesamtgewicht für Kind und Sitz darf 33 Kilogramm nicht übersteigen. Nur wenn dieses Gewicht nicht überschritten wird, ist eine sichere Befestigung durch ISOFIX gewährleistet. Je nachdem wie schwer der Kindersitz ist, bleiben für das Körpergewicht des Kindes circa 18 bis 19 Kilogramm übrig.

Alarmfunktion bei Hitze für Kindersitze?

Immer wieder ist zu lesen, dass Kinder alleine im völlig überhitzten Auto sitzen. Da wir in Deutschland mehr heißere Sommer haben, ist das ein aktuelles Thema. An solchen Hitzetagen kann die Temperatur im Auto, das womöglich noch in der Sonne steht, bis zu 60 Grad Celsius erreichen. Sehr schnell kann das Fahrzeug dann zur tödlichen Hitzefalle werden. In solchen Fällen muss nicht selten die Feuerwehr oder die Polizei das Kind aus dem Auto retten.

Aus diesem Grund wurde die Bundesanstalt für Straßenwesen vom Bundesverkehrsministerium beauftragt, dafür passende Warnsysteme zu untersuchen. Derzeit gibt es nur gesetzliche Regelungen zum Schutz der Kinder bei Verkehrsunfällen, jedoch nicht für das Vergessen der Kinder in heißen Autos.

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