Startseite Kind Immer mehr Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen im Netz: Welche Ansätze könnten Lösungen bringen?

Immer mehr Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen im Netz: Welche Ansätze könnten Lösungen bringen?

Missbrauch Kinder Internet

Laut Kriminalstatistik 2022 werden jeden Tag 48 Kinder in Deutschland Opfer sexueller Gewalt. Diese Zahl ist erschreckend, aber längst nicht alles. Es gibt einen massiven Anstieg von Missbrauchsdarstellungen von Kindern und Jugendlichen im Netz, die das Leiden der traumatisierten Opfer noch verlängern. Welche Lösungsansätze es mittlerweile gibt und wie Eltern sowie Pädagogen das Bundeskriminalamt unterstützen können, erfahrt ihr im folgenden Artikel.

Schockierende Zahlen

2022 wurden 42.075 Fälle von Missbrauchsdarstellungen im Internet registriert, was einem Anstieg um sieben Prozent gegenüber 2021 entspricht. Seit 2018 haben sich die Missbrauchsdarstellungen im Netz sogar verzwölffacht. Das sind wohl gemerkt lediglich die erfassten Fälle, deren Registrierung zu einem großen Teil der halbstaatlichen US-Organisation NCMEC zu verdanken ist, die regelmäßig Verdachtsfälle an die deutschen Ermittler weitergibt. Doch die Dunkelziffer an Missbrauchsdarstellungen ist laut Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), noch viel höher.

Zwar haben es die Strafverfolgungsbehörden im Jahr 2022 geschafft, dass Missbrauchsdarstellungen relativ schnell gelöscht werden, doch gilt das nur für einen geringen Prozentsatz der existierenden Aufnahmen. Der größte Teil der Bilder und Videos kursiert im Netz – und das über Jahre.

Wie ist die statistische Auswertung der Löschbemühungen im Jahr 2022?

Nach dem Prinzip „Löschen statt Sperren“ entfernten Hosting-Anbieter nach dem Melden von kinderpornografischen Inhalten an das BKA nahezu alle entsprechenden Inhalte (97,7 Prozent) innerhalb einer Woche. Über drei Viertel der Inhalte verschwanden innerhalb von zwei Tagen nach Meldung beim BKA von der betreffenden Webseite. Die Bearbeitungszeit vom Meldungseingang an das  BKA bis zur Löschung des entsprechenden Inhaltes durch den Anbieter betrug im Jahr 2022 demnach durchschnittlich anderthalb Tage. 51,4 Prozent der Inhalte wurde im Inland gehostet.

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Das Löschen von im Ausland gehosteten Inhalten dauerte aufgrund des komplexeren Verfahrens und der größeren Anzahl der beteiligten Stellen länger. So wurden 53,2 Prozent der Inhalte nach Eingang der Hinweise beim BKA innerhalb einer Woche gelöscht. Erst nach vier Wochen waren 88,5 Prozent der kriminellen Bilder und Videos aus dem Netz genommen. Die nicht gelöschten Inhalte wurden an die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ) zur Durchführung eines Indizierungsverfahrens weitergeleitet.

Welche Maßnahmen der Bundesregierung gab es bisher?

Um gegen Kindesmissbrauch und Missbrauchsdarstellungen im Netz effektiver vorzugehen, hat die Bundesregierung in den letzten Jahren einige Maßnahmen beschlossen. 2010 hat sie das Amt der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs eingerichtet. Es wurde außerdem das Strafrecht verschärft, besonders was das sogenannte Cybergrooming (Anbahnung sexueller Kontakte mit Minderjährigen im Netz) betrifft. Ebenso hat die Regierung die Aufklärungsmöglichkeiten von Straftaten verbessert.

Nun will sie die Arbeit der Unabhängigen Beauftragten gesetzlich verankern und den Nationalen Rat gegen sexuelle Gewalt verstetigen. Vorgesehen sind weiter eine bessere länderübergreifende Zusammenarbeit im Kinderschutz und ein Ausbau des Beratungs- und Onlineangebotes.

Wie schnell Kinderfotos im Netz geklaut und missbraucht werden können, zeigt dieses Video:

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Was ist das EU-Zentrum gegen Kindesmissbrauch?

Um die länderübergreifende Zusammenarbeit zu verbessern und fest zu verankern, plant die zuständige EU-Kommission die Gründung eines EU-Zentrums gegen Kindesmissbrauch. Mithilfe dieses Zentrums sollen das Löschen von Missbrauchsdarstellungen von digitalen Plattformen und die strafrechtliche Verfolgung der Täter noch flächendeckender und schneller erfolgen. Anbieter von Online- und Messengerdiensten wie Facebook und WhatsApp werden künftig noch mehr in die Pflicht genommen und in ihren Bemühungen unterstützt, kriminelle Inhalte aufzudecken, zu melden und sofort zu entfernen.

Bisher war das Melden verdächtiger Bilder und Videos freiwillig. Hosting-Anbieter waren dabei mit unterschiedlichen europäischen Regelungen konfrontiert. Einige Anbieter setzen bereits freiwillig Technologien ein, um kinderpornografische Darstellungen zu entlarven, zu melden und zu entfernen. Es bleibt die Frage, ob es ausreicht, lediglich auf freiwillige Initiativen zu bauen und eine hohe Dunkelziffer an kursierenden Missbrauchsdarstellungen im Netz hinzunehmen. Mit einer einheitlichen EU-Vorschrift würden alle Anbieter ihre Bemühungen, kriminelle Inhalte zu melden und zu löschen, mit Sicherheit optimieren.

Ein Überblick über die Aufgaben des neuen EU-Zentrums:

  1. Unterstützung der Anbieter von Onlinediensten durch Meldungen und die Annahme von Indikatoren für die Aufdeckung von Kindesmissbrauch
  2. Unterstützung der nationalen Strafverfolgungsbehörden und Europol durch Überprüfung von Meldungen der
    Onlineplattformen und Ausschluss von Falschmeldungen
  3. Rasche Übermittlung der gemeldeten Daten an die Strafverfolgungsbehörden
  4. Wissenszentrum für bewährte Praktiken der Prävention und Opferhilfe
  5. Der präventive Schutz von Kindern und Jugendlichen vor pädokriminellen Kontaktversuchen im Netz steht ebenfalls im Fokus der Bemühungen. Um den Schutz zu erhöhen, sollen Webanbieter besser informiert sein, ob gerade ein Kind ihre Plattform nutzt.

Alle Pläne für ein stabiles, großflächiges Netzwerk gegen kinderpornografische Inhalte im Netz können nur mit der entsprechenden personellen und sachlichen Ausstattung bei Polizei, Justiz und Jugendämtern funktionieren. Das Personal muss durch qualitativ hochwertige Aus- und Weiterbildungen bestens geschult sein.

Wie können Pädagogen und Eltern helfen?

Die staatlichen Maßnahmen werden laut Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) nicht ausreichen, um sexuellen Missbrauch von Kindern und die Verbreitung entsprechender Darstellungen im Netz in großem Maße zu verhindern. Es ist ebenso die Aufgabe der gesamten Gesellschaft, aufmerksam zu sein, Verdachtsfälle zu melden und Kinder und Jugendliche über Gefahren und strafbare Handlungen aufzuklären. Jeder Einzelne steht in der Verantwortung, hinzuschauen und entsprechend zu handeln.

Die unabhängige Missbrauchsbeauftragte Kerstin Claus, die sich für eine „fundamentale Stärkung des Kinder- und Jugendschutzes im Netz“ einsetzt, sieht großen Handlungsbedarf bereits bei Klassenchats. Immer öfter würden solche Chats dafür genutzt, um Missbrauchsdarstellungen zu teilen. Sie fordert noch stärkere medienpädagogische Maßnahmen, damit Kinder und Jugendliche solche Darstellungen klar als sexuelle Gewalt einordnen.

Dafür seien Pädagogen und Eltern verantwortlich. Das Teilen von Missbrauchsdarstellungen ist eine Straftat, die das Leiden der Opfer verlängert und vertieft. Vielen Kindern und Jugendlichen ist das überhaupt nicht bewusst. Sie müssen für dieses Thema sensibilisiert werden und realisieren, dass diese Bilder kein Witz, sondern Aufnahmen tatsächlich stattgefundener Gewalt sind.

Wie Betroffene Anzeige bei Missbrauchsdarstellungen stellen können, zeigt dieses Video:

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Kinder- und Jugendschutz im Netz stärker gesetzlich verankern

Laut Claus müsse der entsprechende Paragraf zum Teilen solcher Bilder im Netz im Strafgesetzbuch unbedingt angepasst werden, sodass Polizei und Staatsanwaltschaft eine bessere Handhabe dagegen erhalten. Allgemein fordert Claus, dass die digitale Welt für Kinder und Jugendliche sicherer gemacht wird und dabei die gleichen Maßstäbe gelten wie für das Kinder- und Jugendschutzgesetz, das Kinder in der analogen Welt vor Gefahren und schlechten Einflüssen schützen soll.

Wie hilft ein nationales Zentrum zur Erfassung von Missbrauchsdarstellungen?

Eine weitere wichtige Maßnahme im Kampf gegen Missbrauchsdarstellungen sei laut Claus die Gründung eines Forschungszentrums in Deutschland. Aufgabe dieses Zentrums soll es sein, das Ausmaß sexueller Gewalt an Kindern und Jugendlichen regelmäßig statistisch zu erheben und auf die hohe Dunkelziffer aufmerksam zu machen.

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